Schweizerischer Metall- und Uhrenarbeiter Verband (SMUV), Sektion Basel und Umgebung
Titel
Schweizerischer Metall- und Uhrenarbeiter Verband (SMUV), Sektion Basel und Umgebung
Signatur
PA 1135
Stufe
Fonds
Entstehungszeitraum
1879-2000
Rechtsstatus
Depositum
Provenienz
Schweizerischer Metall- und Uhrenarbeiterverband (SMUV)
Verwaltungsgeschichte/Biografische Angaben
Mit dem Aufkommen der Industrialisierung bildeten sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts in der Schweiz im Bereich der Metallberufe erste gewerkschafliche Organisationen. Diese waren aber lokal begrenzt und gegenüber den Folgen wirtschaftlicher Einbrüche wenig widerstandsfähig. Oft lösten sie sich bei der ersten Krise wieder auf. Hinzu kam die generell grosse Fluktuation auf dem Arbeitsmarkt, welche die Herausbildung stabiler Mitgliederstrukturen stark erschwerte. Allerding kam es schon bald auch zu nationalen Zusammenschlüssen. 1868 entstand der Verband der Graveure und Guillocheure, 1877 der Schweizerische Spenglerverband, 1886 der Schweizerische Schalenmacherverband und der Giesserverband, 1889 der Zentralverband der Schmiede und Wagner.
Bereits ein Jahr früher war 1888 der Schweizerische Metallarbeiterverband (SMAV) gegründet worden, in dem sich zunächst die Berufsgruppen der Schlosser, Dreher und Mechaniker zusammenschlossen. Bereits 1892 traten ihm die wichtigen Verbände der Spengler und Giesser bei. Erstmals konnte man von einem Industrieverband sprechen, auch wenn der Weg von einem Zusammenschluss verschiedener Berufsgewerkschaften zu einer auch organisatorisch stablien Industriegewerkschaft mühsam und langwierig war. Zunächst war der Wert einer Zentralorganisation durchaus umstritten, führte sie doch zu einem Autonomieverlust der lokalen Fachvereine und Arbeiterunionen. Zudem fühlten sich die im Metallarbeiterverband zusammengeschlossenen Facharbeiter noch eher als Handwerker denn als Industriearbeiter.
1896 konnte der SMAV seinen Wirkungskreis durch den Beitritt des Verbands der Schmiede und Wagner weiter vergrössern. Allerdings blieb die Mitgliederfluktuation hoch, die Basis eines stablien Mitgliederstammes eher klein. Dies erschwerte den organisatorischen Aufbau und die Kampfkraft der Gewerkschaft, welche sich auch mit der mehr oder weniger offenen Gegnerschaft der Unternehmer konfrontiert sahen, die nicht selten die gewerkschaftliche Organisation ihrer Mitarbeiter zu verhindern suchten. Viele, vor allem ungelernte und damit wenig qualifizierte Arbeiter, konnten von ihren mageren Löhnen aber auch keine Gewerkschaftsbeiträge ausrichten. So konzentrierte sich die Mitgliedschaft oft auf gewerbliche Fach- und gelernte Industriearbeiter.
Der Beginn des Ersten Weltkrieges stellte die Gewerkschaften vor existentielle Probleme. Die Metallarbeiter reagierten darauf 1915, in dem sie sich mit dem 1892 gegründeten Uhrenarbeiterverband zum Schweizerischen Metall- und Uhrenarbeiterverband (SMUV) zusammenschlossen. Grund waren die in Folge des Krieges grossen wirtschaftlichen Probleme. Davon war besonders die exportabhängige Uhrenindustrie betroffen. Viele Uhrenarbeiter verloren ihre Stelle und wechselten in die Kriegsindustrie. Hinzu kam, dass der Uhrenarbeiterverband nach einem 24-wöchigen Streik in Leberberg (Solothurn) finanziell schwer angeschlagen und kaum noch handlungsfähig war. Demgegenüber profitierte das Metallgewerbe vom Krieg. Der neue SMUV erlebte denn auch einen raschen Mitgliederzuwachs (von 21'321 im Jahr 1915 auf 84'847 im Jahr 1919). Allerdings ging dieser in den krisenhaften frühen 1920er Jahren wieder stark zurück und erreichte 1923 einen Tiefstand von 41'669. Danach erholten sich die Mitgliederzahlen langsam, um sich dann in den 1930er Jahren zu stabilisieren. Grossen Einfluss auf die Entwicklung von SMAV und SMUV übten Oskar Schneeberger (seit 1900 vollamtlicher Sekretär und von 1912-17 Präsident), Konrad Ilg (1909-17 Sekretär und 1917-54 Präsident) sowie Arthur Steiner (seit 1932 Zentralsekretär und 1954-58 Präsident) aus. In die Zeit Ilgs fällt der Abschluss des sogenannten Friedensabkommens im Jahre 1937.
Während des Zweiten Weltkrieges stellte sich auch der SMUV in den Dienst der Geistigen Landesverteidigung. In der Hochkonjunktur der 1950er und 60er Jahre wandelten sich Gesellschaft und Arbeitswelt stark. Der ausgestaltete Sozialstaat - auch ein Erfolg der Gewerkschaftsbewegung - führte dazu, dass die Hilfs- und Schutzfunktionen der Gewerkschaften für ihre Mitglieder (z.B. im Fall von Arbeitslosigkeit oder Krankheit) stark an Bedeutung verloren. Die Krise der 1970er Jahre stellte ebenso neue Herausforderungen wie der starke Wandel der Industriearbeiterschaft im Zuge der Migration ausländischer Arbeitskräfte mit der entsprechenden Herausforderung, diese für die Gewerkschaften zu gewinnen und die Gewerkschaften entsprechend anzupassen. Der technologische und wirtschaftliche Strukturwandel führte zu weiteren Anpassungsprozessen, die Basis der "klassischen Industriearbeiterschaft" wurde spürbar schmaler. Dies zeigte sich nicht zuletzt in einer deutlichen Verschiebung zwischen Arbeitern und Angestellten, aber auch im rückläufigen Anteil des sogenannten zweiten Wirtschaftssektors am Total der Gesamtbeschäftigten in der Schweiz. Darauf reagierten die Gewerkschaften unter anderem mit Fusionen. Im Jahre 2004 schloss sich der SMUV mit den Gewerkschaften GBI, VHTL und unia zur neuen Grossgewerkschaft Unia zusammen.
Auf lokaler Ebene verlief der Aufbau gewerkschaftlicher Organisationen schleppend und im Vergleich eher später als an anderen Gewerbe- und Industriestandorten in der Schweiz. Gründe waren einerseits der hohe Anteil schlecht zu organisierender Textilarbeitender sowie die Grenzlage mit der grossen Zahl von Arbeitskräften aus Deutschland, die sich oft nur für eine gewisse Zeit in Basel aufhielten oder über die Grenze zur Arbeit kamen - und dementsprechend schlecht für ein gewerkschaftliches Engagement gewonnen werden konnten. Im August 1890 erfolgte die Gründung der Metallarbeiter-Gewerkschaft Basel und Umgebung, der allerdings kein langes Wirken beschieden war. Bereits am 21.5.1895 kam es zur Neugründung als Metallarbeiter-Fachverein. 1897 folgte die Gründung der Metallarbeiterunion als Dachorganisation der Fachvereine der Metallarbeiter, Spengler, Schlosser sowie Schmiede und Wagner, deren oft bescheidene Wurzeln teils bis in die 1870er Jahre zurückreichten. 1904 kam es zum Zusammenschluss von Spengler- und Metallarbeiter-Fachverein, dem sich bald auch Kupferschmiede, Giesser sowie Schmiede und Wagner anschlossen. 1907 folgte die Gründung der lokalen Sektion des Schweizerischen Metallarbeiter Verbandes (SMAV), die sich 1915 zur Sektion Basel und Umgebung des SMUV wandelte. Bereits Anfang 1906 wurde ein festes Sekretariat geschaffen und mit Karl Dürr der erste vollamtliche Sekretär eingestellt. Der Zusammenschluss der Metallgewerkschaften wurde 1905-06 vom monatelangen Streik in der Maschinenfabrik Mertz begleitet, einem der prägenden Arbeitskämpfe in Basel vor dem Ersten Weltkrieg. Der Kartellkonflikt 1927/28, der zur organisatorischen Spaltung der Basler Gewerkschaftsbewegung führte, hatte auch für den SMUV schwerwiegende Folgen, verlor er doch rund 800 Mitglieder an den kommunistischen Metallarbeiterverband. Der SMUV erholte sich von diesem Rückschlag nur langsam, die Mitgliederzal von 1927 (1'956) wurde erst 1940 (1'960) wieder erreicht. Nach dem Zeiten Weltkrieg pendelte sie lange zwischen 3'500 und 4'000, ab 1985 zeichnete sich dann ein deutlicher Rückgang ab. Im Jahre 1988, dem Jahr des hundertjährigen bestehens des SMUV, wurden in den Sektionen basel und Baselland-Fricktal rund 22'000 Arbeitnehmer von Gesamtarbeitsverträgen erfasst.
Im Kanton Baselland erfolgte 1912 die Gründung einer ersten Uhrmachergewerkschaft in Waldenburg, weitere Sektionen bestanden in Hölstein und Niederdorf. In den Krisenjahren des Ersten Weltkrieges und der Nachkriegszeit gerieten diese Sektionen unter starken Druck. 1931 kam es in Waldenburg zur eigentlichen Neugründung unter Mithilfe des SMUV Basel. Die Anfänge der Sektion Liestal reichen bis 1909 zurück. 1935 kam es zur Fusion der Sektion Münchenstein mit der Sektion Basel in Folge der Schliessung der Zweigniederlassung von Brown Boveri. Später existierte eine Sektion Baselland-Fricktal, ein erstes Statut findet sich aus dem Jahre 1974.
Schutzfristkategorie
Ordentliche Schutzfrist
Bewilligung
Gemäss Archivgesetz BS
Schutzfrist
Zeitraumende
Schutzfristdauer
30
Ende der Schutzfrist
12/31/2030
Zugänglichkeit
Oeffentlich
Zugangsbestimmungen
Es gelten die allgemeinen Benutzungsbestimmungen des Staatsarchivs Basel-Stadt.
Physische Benutzbarkeit
uneingeschränkt
Veröffentlichungen
Bratschi, Peter: Schweizerischer Metall- und Uhrenarbeiterverband, in: Fritz Heeb (Hg.), Der Schweizerische Gewerkschaftsbund 1880-1930, Bern 1930, S. 423-437.
Fritschi, Jakob: Handbuch der Schweizerischen Arbeitnehmerverbände 1951, Zürich 1951, S. 252-353.
Hasler, Josef: Der Schweizerische Metall- und Uhrenarbeiter-Verband, Schriftenreihe des SMUV Nr. 27, Bern 1976.
50 Jahre SMUV Waldenburg 1931-1981, Liestal 1981.
Degen, Bernard: Das Basel der andern. Geschichte der Basler Gewerkschaftsbewegung, Basel 1986.
Unsere Zukunft hat Geschichte. Eine Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des Schweizerischen Metall- und Uhrenarbeiter-Verbandes (SMUV), Bern 1988.
Eisinger, Angelus: "Die dynamische Kraft des Fortschritts". Gewerkschaftliche Politik zwischen Friedensabkommen, sozioökonomischem Wandel und technischem Fortschritt. Der Schweizerische Metall- und Uhrenarbeiterverband (SMUV) 1952-1985, Zürich 1996.
Beck, Renatus; Göttin, Thomas (Hg.): Keinen Schritt umsonst getan. Blicke auf die Gewerkschaft SMUV 1970-2000, Baden 2004.
Degen, Bernard et al. (Hg.): Vom Wert der Arbeit. Schweizer Gewerkschaften - Geschichte und Geschichten, Zürich 2006.
Gähler, Ulrich: Der schweizerische Metall- und Uhrenarbeiterverband in der Uhrenkrise 1920-1924, unveröffentlichte Lizentiatsarbeit Universität Basel 1979.
Schwaar, Karl: Gewerkschaft Industrie, Gewerbe, Dienstleistungen (Smuv), in: Historisches Lexikon der Schweiz, Bd. 5, Basel 2005, S. 384 (elektronische Publikation, www.hls.ch, 12.12.2011).
Verwandtes Material
Vgl. die Bestände der Zentralinstanzen des SMUV im Schweizerischen Sozialarchiv unter der Signatur SOZARCH Ar SMUV.