Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
Titel
Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
Signatur
UNI-REG 18
Stufe
Fonds
Entstehungszeitraum
1971-2015
Rechtsstatus
Depositum
Verwaltungsgeschichte/Biografische Angaben
Der erste wirtschaftswissenschaftliche Lehrstuhl wurde 1855 eingerichtet und war der «Nationalökonomie und Statistik» gewidmet. Er gehörte der Philosophischen Fakultät an. Dort blieb die Nationalökonomie lange ein wenig beachtetes Sondergebiet. 1905 und in den 1920er Jahren wurde die Verschiebung der Wirtschaftswissenschaften in die Juristische Fakultät diskutiert, doch wehrte sich diese erfolgreich dagegen. Weil die Universität die notwendigen Mittel nicht bereitstellen konnte, scheiterte ein weiterer Plan, die Nationalökonomie in den 1920er Jahren zum Kern einer neuen staatswissenschaftlichen Fakultät zu machen. Die ersten Jahrzehnte waren so von der Marginalität des Fachs geprägt, was sich auch auf die Besetzung des Lehrstuhls auswirkte.
Als erster Professor wurde der Bonner Nationalökonom Erwin Nasse (1829-1890) nach Basel berufen. Für die erste Vorlesung schrieb sich nur ein Student ein. Enttäuscht über die mangelnden Perspektiven in Basel kehrte Nasse nach nur einem Semester wieder nach Deutschland zurück. Danach blieb die Stelle acht Jahre lang unbesetzt. Von 1864 bis 1899 wurden dann acht Nationalökonomen berufen, die den Lehrstuhl meist nach zwei bis drei Jahren wieder verliessen.
Durch die Berufung von Stephan Bauer (1865-1934) und der Einrichtung eines zweiten Ordinariats, das 1910 mit Julius Landmann (1877-1931) besetzt wurde, konnte sich die Universität Basel zwischen 1900 und dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs im deutschsprachigen Raum als wirtschaftswissenschaftliches Zentrum für Fragen der Sozialreform und des Arbeiterschutzes profilieren. Bauer war Begründer und Mitherausgeber der «Zeitschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte». Neben seiner universitären Tätigkeit übernahm er 1901 das Generalsekretariat der Internationalen Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz und 1901 bis 1919 auch die Leitung des Internationalen Arbeitsamtes. Landmann hatte sich unter anderem mit der Publikation «Die Arbeiterschutzgesetzgebung der Schweiz» (1904) einen Namen gemacht. In der Folge zeichnete er sich weiter als international angesehener Fachmann der Finanz- und Steuerpolitik sowie des Bankenwesens aus.
Die Wirtschaftswissenschaften waren in dieser Zeit bis zum Ersten Weltkrieg in Basel wie auch in anderen deutschsprachigen Universitäten eng mit den Sozialwissenschaften verknüpft. Anders als an anderen Universitäten blieb in Basel diese Konstellation zwischen Wirtschafts- und Sozialwissenschaften mindestens bis in die 1960er Jahre erhalten. So wurde zum Beispiel die Professur für «Nationalökonomie und Statistik» des 1913 berufenen, deutschen Nationalökonomen Robert Michels (1876-1936) mit einem Lehrauftrag für Soziologie verknüpft. 1921 schuf die Universität zudem eine Professur für Statistik, die den Wirtschaftswissenschaften angegliedert wurde und die mit Fritz Mangold (1871-1944) besetzt wurde. Mangold verstand die Statistik als eine breite Form der Gesellschaftsanalyse, die demografische, wirtschaftspolitische, aber auch soziologische und sozialstatistische Themen beinhaltete.
Nach dem Weggang von Julius Landmann 1927 wurde Edgar Salin (1892-1974) als Nachfolger berufen. Er war bis zu seiner Emeritierung 1962 die dominierende Figur der Basler Wirtschaftswissenschaften. Er vertrat ein breites integratives Verständnis der Nationalökonomie, das neben den wirtschaftswissenschaftlichen auch kultur- und sozialwissenschaftliche, wie auch philosophische Traditionen vereinte. Trotz seiner qualitativen Ansätze widersetzte er sich nicht grundsätzlich dem Mathematisierungs- und Formalisierungstrend, den die Wirtschaftswissenschaften seit der Zwischenkriegszeit erfasst hatte. Er arbeitete zum Beispiel eng mit Gottfried Bombach (1919-2010) zusammen, der 1957 als mathematisch orientierter Nationalökonom nach Basel berufen worden war.
Weil die Studierendenzahlen der Wirtschaftswissenschaften in den 1950er und 1960er Jahren um ein Vielfaches zunahmen, blieb die Frage nach einem institutionellen Ausbau des Fachs in den nächsten beiden Jahrzehnten praktisch kontinuierlich aktuell. 1959 wurde ein dritter nationalökonomischer Lehrstuhl geschaffen, der faktisch an die Soziologie ging und mit Heinrich Popitz (1925-2002) besetzt wurde. Diese Stelle wurde 1962 in ein soziologisches Ordinariat umgewandelt und der Nationalökonomie wurde ein dritter Lehrstuhl zugestanden. Die Stelle wurde mit Jacques Stohler (1930-1969) besetzt, einem Keynesianer und Spezialisten für die europäische Wirtschaftsintegration und für verkehrspolitische Fragen.
Nachdem 1965 mit K. William Kapp (1910-1976), einem Kritiker der neoklassischen Wirtschaftswissenschaften, ein Nachfolger für Edgar Salin eingesetzt worden war, ging der Ausbau des Fachs 1971 weiter mit der Schaffung eines vierten Lehrstuhls, der Fragen der internationalen Wirtschaftsbeziehungen, Geldtheorie und Geldpolitik gewidmet war und mit Peter Bernholz (1929-) besetzt wurde.
Als Nachfolger von Kapp wurde 1978 Silvio Borner (1941-) berufen der sich vor allem mit der schweizerischen Wirtschafts- und Sozialpolitik, insbesondere der Sozialstaatsentwicklung, unter den Bedingungen des globalen Strukturwandels beschäftigte. Borner wandte sich im Verlauf seiner Arbeiten im Unterschied zu Kapp zunehmend neoklassischen Ansätzen zu. In den 1980er und 1990er Jahren exponierte sich Borner auch als Fürsprecher des New Public Managements.
Jenseits dieser Ordinariate richtete die Universität zwei ausserordentliche Professuren im Bereich der Wirtschaftswissenschaften ein. Ab 1957 lehrte der Kantonsstatistiker Hans Guth als ausserordentlicher Professor für Statistik – die Stelle wurde 1984 unter Guths Nachfolger Peter Kugler in ein Ordinariat für Statistik und angewandte Wirtschaftsforschung umgewandelt. Weiter wurde 1964 ein Extraordinariat für Wirtschaftslehre der Unternehmungen (d.h.: die Betriebswirtschaftslehre) geschaffen, das zunächst mit Otto Angehrn (1916-1992) und nach dessen Wechsel an die ETH Zürich 1965 mit Wilhelm Hill (1925-2017) besetzt wurde.
Der strukturelle Ausbau der Basler Wirtschaftswissenschaften wurde auch in den in den 1990er und 2000er Jahren fortgesetzt. Im Rahmen der allgemeinen Spezialisierung der Wirtschaftswissenschaften wurden in Basel unter anderem die Betriebswirtschaft, die Finanzwissenschaft und die Wirtschaftstheorie verstärkt. Zugleich haben die Basler Wirtschaftswissenschaften seit Mitte der 1980er Jahre einen institutionellen Konsolidierungsprozess durchlaufen. Als äusseres Zeichen dieser Entwicklung wurden 1987 alle wirtschaftswissenschaftlichen Lehrstühle und Einrichtungen, die bislang auf verschiedene Institute verteilt waren, unter einem gemeinsamen Dach vereint und zum «Wirtschaftswissenschaftlichen Zentrum» (WWZ) zusammengefasst. Das WWZ war in der schweizerischen Universitätslandschaft ein Novum und galt schnell als modellhafte Einrichtung. Die akademischen Aktivitäten in Lehre, Forschung, Dokumentation und Vermittlung wurden hier in einer zentralen Einrichtung zusammengefasst und dadurch stärker koordiniert als im bisherigen Lehrstuhl- und Institutsmodell. 1995 folgte schliesslich die Gründung einer eigenen Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät.
Anmerkungen
Die Verwaltungsgeschichte basiert ausschliesslich auf Lengwiler, Martin. "Der lange Schatten der Historischen Schule. Die Entwicklung der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Basel", Basel 2010. Einzelne Passagen daraus wurden unverändert übernommen.
Schutzfristkategorie
Ordentliche Schutzfrist
Bewilligung
Gemäss Archivgesetz BS
Schutzfrist
Zeitraumende
Schutzfristdauer
30
Ende der Schutzfrist
12/31/2045
Zugänglichkeit
Oeffentlich
Zugangsbestimmungen
Es gelten die allgemeinen Benutzungsbestimmungen des Staatsarchivs Basel-Stadt.
Physische Benutzbarkeit
uneingeschränkt
Veröffentlichungen
- Lengwiler, Martin. "Der lange Schatten der Historischen Schule. Die Entwicklung der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Basel", Basel, 2010. Online: https://unigeschichte.unibas.ch/fileadmin/user_upload/pdf/Lengwiler_Entwicklung_Wirtschaftswissenschaften.pdf , konsultiert am 13.2.2023.
- Universität Basel. "Die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät". Online: https://unigeschichte.unibas.ch/fakultaeten-und-faecher/wirtschaftswiss-fakultaet , konsultiert am 13.2.2023
- Bernard Degen: "Bauer, Stephan", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 06.05.2002. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/028310/2002-05-06/, konsultiert am 13.02.2023.
- Hermann Wichers: "Landmann, Julius", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 16.01.2020. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/042117/2020-01-16/, konsultiert am 13.02.2023.
- Ruedi Graf: "Salin, Edgar", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 23.08.2010. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/029928/2010-08-23/, konsultiert am 13.02.2023.
- Hermann Wichers: "Kapp, Karl William", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 28.10.2013. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/029925/2013-10-28/, konsultiert am 13.02.2023.