Öffentliche Krankenkasse Basel-Stadt (ÖKK)
Titel
Öffentliche Krankenkasse Basel-Stadt (ÖKK)
Signatur
ÖR-REG 16
Stufe
Fonds
Entstehungszeitraum
1895-1995
Rechtsstatus
Eigentum des Staatsarchivs Basel-Stadt
Provenienz
Öffentliche Krankenkasse
Verwaltungsgeschichte/Biografische Angaben
Eine Erhebung von Prof. Dr. Hermann Kinkelin aus dem Jahre 1865 zählte 59 Kranken- und Begräbniskassen im Kanton Basel-Stadt. Die Mitgliederzahlen der einzelnen Kassen reichten dabei von 11 bis 5'000. Viele der Versicherten waren aber nur ungenügend geschützt und mussten bei Krankheit trotz Versicherungsleistungen die öffentliche und private Wohltätigkeit in Anspruch nehmen. Die Choleraepidemien der 1850er und 1860er-Jahre hatten dies deutlich aufgezeigt. Weiter war ein grosser Teil der Arbeiter gar nicht versichert, weshalb sie bei Krankheit in arge Nöte gerieten. Der Ruf nach einer obligatorischen Krankenversicherung für jene, die für Krankheitszeiten nicht ausreichend vorsorgen konnten, wurde deshalb immer lauter.
Alle Initiativen zwischen 1867 und 1913, eine obligatorische Krankenversicherung einzuführen, scheiterten im Grossen Rat. 1887 und 1890 wurden entsprechende Gesetzesentwürfe bei Volksabstimmungen abgelehnt. Stattdessen wurde 1891 eine Allgemeine Poliklinik eingerichtet. Dort konnten sich KantonseinwohnerInnen mit tiefen Einkommen unentgeltlich in ärztliche Behandlung begeben und Medikamente beziehen. Um 1900 waren dies rund 16'000 Personen.
Das Bundesgesetz über die Kranken- und Unfallversicherung vom 13. Juni 1911 vergab Bundessubventionen an Krankenkassen, sofern gewisse Bedingungen erfüllt waren. Die Allgemeine Poliklinik wurde deshalb zur Öffentlichen Krankenkasse reorganisiert. Das Gesetz betreffend die Öffentliche Krankenkasse (ÖKK) in Basel und das Gesetz betreffend obligatorische Krankenversicherung für Personen mit tiefen Einkommen wurden 1914 angenommen. Am 1. Oktober 1914 nahm die ÖKK an der Klybeckstrasse 1b den Betrieb auf. Erster Verwalter war Alfred Geiger (1872-1957), der das Amt von 1914 bis 1937 innehatte.
Da das Sanitätsdepartement der Allgemeinen Poliklinik, aus der die ÖKK hervorgegangen war, vorstand, blieb die Aufsicht über die ÖKK bei diesem Departement. Die ÖKK hatte eigentlich eine grundsätzlich andere Funktion als die Poliklinik und gehörte in den Bereich der Sozialversicherungen. Deshalb hätte eine Unterstellung unter das Departement des Innern Sinn gemacht. Die Übertragung der Aufsicht vom Sanitätsdepartement an das Departement des Innern erfolgte schliesslich 1966.
Gemäss Gesetz von 1914 hatte das Sanitätsdepartement die Oberleitung über die ÖKK. Zur Wahrnehmung dieser Aufgabe wurde eine Krankenkassenkommission mit sechs Mitgliedern geschaffen. Präsident war von Amtes wegen der Vorsteher des Sanitätsdepartements. Der Kommission oblagen folgende Aufgaben:
- Vorberatung von Gesetzen, Verordnungen, Reglementen, Amtsordnungen, Verträgen und Tarifen sowie die Begutachtung wichtiger Fragen betreffend das Krankenkassenwesen
- Vorschläge bei der Wahl der Angestellten der ÖKK
- Erstellung des Budgets und der Jahresrechnung.
Der Verwalter der ÖKK und der Kantonsarzt nahmen an den Kommissionssitzungen mit beratender Stimme teil. Die Leitung der ÖKK und deren Vertretung nach aussen waren Aufgabe des Verwalters. Rekurse gegen Verfügungen des Verwalters konnten beim Sanitätsdepartement eingereicht werden.
Die Organisation der ÖKK wurde durch die Gesetzesrevision vom 11. November 1943 angepasst und differenzierter definiert. Ausserdem wurde die ÖKK neu mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet. Gemäss Gesetz sorgte der Regierungsrat für die Ausführung des Krankenkassengesetzes und setzte die Prämien und Kostenbeiträge der Mitglieder fest. Weiter bestimmte er die Voraussetzungen, die Art, den Umfang und die Dauer der Kassenleistungen. Dabei konnte er die Aufstellung solcher Vorschriften der Krankenkassenkommission übertragen. Er bewilligte auch Verträge mit anderen Krankenkassen sowie Gesamtverträge mit Ärzten und Apothekern. Schliesslich wählte er die Beamten der Kassenverwaltung und genehmigte das Budget und die Jahresrechnung.
Das Sanitätsdepartement bzw. ab 1966 das Departement des Innern bzw. das Wirtschafts- und Sozialdepartement übte die unmittelbare Aufsicht über die Verwaltung der Krankenkasse aus, ernannte die definitiven Angestellten und autorisierte Verträge mit Spitälern und Heilmittellieferanten.
Ausserdem wurde eine Kontrollstelle geschaffen. Diese bestand aus drei Mitgliedern, die vom Regierungsrat gewählt wurden und nicht der Krankenkassenkommission angehören durften. Sie prüfte zweimal jährlich die Geschäftsführung der ÖKK und berichtete dem Sanitätsdepartement.
Die Verwaltungsorgane der ÖKK setzten sich aus der Krankenkassenkommission, dem Kassenausschuss und dem Verwalter zusammen. Die Krankenkassenkommission war das oberste Verwaltungsorgan und setzte sich aus 10 vom Grossen Rat gewählten Mitgliedern zusammen. Das Gesetz erwähnte explizit, dass auch Frauen Mitglied sein konnten. Der Vorsteher des Sanitätsdepartements (ab 1966: des Departements des Innern) amtete als Kommissionspräsident. Die Krankenkassenkommission hatte folgende Aufgaben:
- Begutachtung und Antragsstellung für die Ausführungsvorschriften und weitere die Krankenversicherung betreffende Geschäfte
- Wahl des Kassenausschusses und Bezeichnung der Vertreter in der paritätischen Vertrauenskommission
- Aufstellung des Budgets, des Jahresberichtes und der Jahresrechnung
- Abschluss von Verträgen mit Spitälern, Ärzten und Heilmittellieferanten
- Entscheidung von Rekursen
- Ausschluss von Versicherten.
Der Kassenausschuss bestand aus 5 Mitgliedern der Krankenkassenkommission. Der Vizepräsident der Krankenkassenkommission amtete dabei als Präsident des Kassenausschusses. Der Ausschuss sollte sich alle 14 Tage einmal zu einer Sitzung treffen und entschied über alle wichtigen laufenden Geschäfte soweit diese nicht den übergeordneten Gremien vorbehalten war. Die weiteren Aufgaben waren:
- Vorbereitung der Geschäfte der Krankenkassenkommission
- Anstellung des Hilfspersonals
- Bewilligung von Ausnahmeleistungen und Erlass von Kostenbeiträgen
- Behandlung von Beschwerden
- Ausschluss von Versicherten.
Der Verwalter nahm an den Sitzungen der Krankenkassenkommission und des Kassenausschusses mit beratender Stimme teil. Der Kassenausschuss wurde auf den 1. Januar 1991 aufgelöst.
Für die Regelung der Beziehung der Krankenkassen und der Ärzte und einer gemeinsamen Kostenkontrolle wurde 1943 eine Vereinbarung zur Bildung einer paritätischen Vertrauenskommission geschlossen zwischen der ÖKK, der Allgemeinen Krankenpflege Basel und dem Kantonalverband Baselstädtischer Krankenkassen einerseits und der Medizinischen Gesellschaft Basel andererseits. 1950, 1969 und 1984 wurden jeweils neue Vereinbarungen ausgehandelt und unterzeichnet, um den veränderten Umständen entsprechend Rechnung zu tragen.
1946 kaufte die ÖKK ein Hotel im Diemtigtal, welches sie als Kurhaus Grimmialp für die Pflege an Tuberkulose Erkrankter einrichtete und später als allgemeines Kurheim führte. Dazu führte die ÖKK eine Tuberkuloseversicherung ein.
1953 beschloss der Regierungsrat, ein Kantonales Krankenversicherungsamt zu schaffen und dessen Führung der ÖKK zu übertragen. Der Verwalter der ÖKK war nun auch Vorsteher des Amtes. Das Krankenversicherungsamt hatte folgende Aufgaben:
- die Durchführung des Gesetzes betreffend die obligatorische Krankenpflegeversicherung
- die Kontrolle der kantonalen Beiträge an die Prämien der minderbemittelten Mitglieder der Öffentlichen Krankenkasse
- die Durchführung des Gesetzes betreffend ein kantonales Stillgeld und ein kantonaler Wochenbettbeitrag
- die Durchführung des Gesetzes betreffend Beiträge des Kantons Basel-Stadt an Tuberkuloseleistungen anerkannter privater Krankenkassen und deren Rückversicherungsverbände.
1970 wurde das Kantonale Krankenversicherungsamt von der ÖKK abgetrennt, da es den Krankenkassen, also auch der ÖKK, übergeordnet war. Das Amt wurde fortan neu von einem von den Krankenkassen unabhängigen Vorsteher und einer unabhängigen Fachkommission geführt.
Der Öffentlichen Krankenkasse wurden ebenfalls 1953 ausserdem folgende Verwaltungsaufgaben übertragen:
- die Unfallfürsorge für Betriebsunfälle des Staatspersonals und die Verwaltung der Unfallkasse der Beamten und Angestellten inkl. der Zusatzversicherung für Verpflegung und Behandlung in der zweiten oder ersten Spitalklasse
- die Verwaltung der Krankenkasse für die Arbeiter der öffentlichen Verwaltung des Kantons Basel-Stadt
- die Leitung und Verwaltung des Kurheims Grimmialp in Form der Aktiengesellschaft Kurhaus Grimmialp.
Die Aufwendungen, die der Öffentlichen Krankenkasse als Krankenversicherungsamt und bei der Durchführung der übrigen ihr übertragenen Geschäfte erwuchsen, wurden innerhalb der Gesamtrechnung der Öffentlichen Krankenkasse gesondert abgerechnet.
Vor allem seit den 1930er-Jahren war die Geschichte der ÖKK geprägt von Finanzierungssorgen. Als soziale Krankenkasse, die keine Vorbehalte kannte, zählte sie viele Ältere mit hohen Gesundheitskosten zu ihren Mitgliedern. In den Nachkriegsjahren stiegen die Gesundheitskosten weiter an, weil sich die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten weiterentwickelt und die Menschen grundsätzlich eine höhere Lebenserwartung hatten. Schuld an der finanziellen Lage waren je nach Perspektive die Bedürfnisse der PatientInnen, die Behandlungen der ÄrztInnen oder die Bürokratie der ÖKK. In harten Auseinandersetzungen wurden auf politischer Ebene, aber auch in den Verhandlungen mit den Ärzten, um Sanierungsmassnahmen gerungen. Selbstbehalte für die Versicherten und Tarifobergrenzen für die ÄrztInnen wurden eingeführt.
In den 1970er-Jahren waren die Finanzierungssorgen akut. Mit ihrer von Eintrittsalter und Geschlecht unabhängigen Einheitsprämie und dem Verzicht auf Vorbehalte für ambulante Behandlungen war die ÖKK attraktiv für ältere und kranke, nicht aber für jüngere und gesunde Personen. Eine Prämienerhöhung führte dabei zum Weggang vieler jüngerer Mitglieder zu privaten Krankenkassen, die nach Alter gestaffelte Prämien anboten. 1984 lehnte das Stimmvolk jedoch die Auflösung der ÖKK ab und entschied sich für die Initiative «Für eine gesunde und soziale ÖKK», die eine Sanierung forderte. Die ÖKK erhielt deshalb für weitere 10 Jahre staatliche Betriebsbeiträge für die historisch erklärbare schlechte Risikostruktur und durfte neu gesamtschweizerisch agieren und in den Zusatzversicherungsmarkt eintreten. Weiter trug die interne Reorganisation der ÖKK dazu bei, dass sich die Lage konsolidierte und verbesserte.
Schliesslich stimmte der Grosse Rat der Umwandlung der ÖKK in eine nicht gewinnorientierte AG und der Integration in die Stiftung Sympany zu. Der Neustart als eigenständige privatrechtliche Unternehmung mit neuem Namen erfolgte 2008.
Verwalter [ab 1989 Direktor] der ÖKK Basel-Stadt:
- Geiger, Alfred (1872-1957), Verwalter 1914-1937
- Schneider, Friedrich (1886-1966), Verwalter 1937-1953
- Siegrist, Dr. Willi (-1974), Verwalter 1953-1974
- Kurt, Dr. Serge (1922-), Verwalter 1974-1985
- Stöckli, Dr. J., Verwalter, interimistisch 1985-1986
- Lewin, Dr. Ralph (1953-), Direktor 1986-1997
Schutzfristkategorie
Ordentliche Schutzfrist
Bewilligung
Gemäss Archivgesetz BS
Schutzfrist
Zeitraumende
Schutzfristdauer
30
Ende der Schutzfrist
12/31/2025
Zugänglichkeit
Oeffentlich
Zugangsbestimmungen
Es gelten die allgemeinen Benutzungsbestimmungen des Staatsarchivs Basel-Stadt.
Physische Benutzbarkeit
uneingeschränkt
Veröffentlichungen
- Schneider, Friedrich. 25 Jahre Öffentliche Krankenkasse Basel-Stadt. Basel: 1940
- Borner, Kilian. 50 Jahre OEKK. Basel: 1964
- Amstutz, Hans-Dieter. 75 Jahre ÖKK : Basel und seine Krankenkasse. Basel: 1989
- 100 Jahre Vertrauen : 100 Jahre Sympany : Streiflichter auf eine bewegte Geschichte. Basel: 2014
- Degen, Bernard: "Schneider, Friedrich", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 23.08.2011. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/004690/2011-08-23/, konsultiert am 28.02.2022.