Überraschung April 2023
Plötzlich taucht eine Geschichte auf: In den Magazinen des Archivs warten Hunderttausende von Dokumenten auf sie. Lassen Sie sich überraschen, was es da zu finden gibt ...
Drei Jahre lang dauerte es, dann kam die Antwort: „Sämtliche Verwaltungsstellen werden angewiesen, alle Mitarbeiterinnen ab sofort mit der Anrede „Frau“ anzusprechen oder anzuschreiben, wenn nicht im Einzelfall eine unverheiratete Frau die Anrede „Fräulein“ ausdrücklich wünscht.“
Mit dieser Antwort auf einen parlamentarischen Vorstoss vollzog der baselstädtische Regierungsrat 1983 eine Kehrtwende – noch 1980 hatte er es abgelehnt, das „Fräulein“ in der kantonalen Verwaltung abzuschaffen. Das gefiel dem Parlament aber nicht, der Regierungsrat musste über die Bücher. Und er beschloss, die Betroffenen – die Mitarbeiterinnen – zu befragen. Mit klarem Resultat: Zwei Drittel aller Mitarbeiterinnen sprach sich für die Anrede Frau aus, bei den Ledigen war der Anteil noch höher.
Die Antworten, die im Schreiben der Regierung 1983 auszugsweise zitiert wurden, bieten einen interessanten Einblick in damalige Gedankenwelten und Empfindlichkeiten. Hier eine kleine Auswahl:
„Ob mit dem Begriff Frau bzw. Fräulein ein Werturteil verbunden ist, da fragen Sie am besten die Herrleins in der Verwaltung.“
„Auch ein Fräulein kann fraulich sein.“
„Es ist so leicht, „Fräulein“ zu rufen, kein Chef muss sich den Namen der Mitarbeiter merken.“
„Mit der Anrede Frau würde ich mich verheiratet fühlen.“
„Ich finde es mühsam, wenn von gewissen Leuten gefragt wird: Sind Sie Frau oder Fräulein? Allgemein finde ich es auch diskriminierend, wenn eine Schwangere oder eine ledige Mutter mit Fräulein angesprochen wird.“
„Frau Dr. X oder Frau Prof. X sagt nichts aus – im Gegensatz zu Frl. Dr. X oder Frl. Prof. X, da weiss man, dass die weibliche Person den Titel hat und nicht der Ehemann.“
„Ich möchte meiner Freude Ausdruck geben, dass wir überhaupt nach unserer Meinung gefragt werden. Das ist schon ein ganz grosser Fortschritt!“